Wilfredo Prieto
34 €
In seinen Objekten und Installationen spielt Wilfredo Prieto mit dem Kontrast. Und zwar auf derart poetische Weise, dass er ihn auf die Spitze zu treiben und im selben Augenblick aufzuheben scheint. Simple Materialien, wie sie uns aus dem Alltag vertraut sind, bringt Wilfredo Prieto in Form und insze-niert sie so, dass sie außerordentlich und edel erscheinen – allerdings ohne ihren Realitätscharakter einzubüßen. Im Gegenteil: Gerade weil der Zuckerwürfel ein Zuckerwürfel bleibt (Two Classics, 2011) und die Frischhaltefolie Frischhaltefolie (The More You Add, the Less You See, 2011), zeigt der Künstler das ästhetische Potential derlei Materialien. Wilfredo Prieto bedient sich den Prinzipien der Minimal Art ohne ihnen blindlings zu gehorchen. Es ist vielmehr der grundsätzliche Einfluss von Donald Judd, Carl Andre und Co., der sich auf formaler Ebene in Prietos Arbeiten zeigt. Darüber hinaus zielt der Künstler auf eine Wahrnehmungsverschiebung ab, mit der er auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen verweist.
Mit dem Ausstellungstitel The View of the Garden of Helene Hollandt erklärte Wilfredo Prieto den hinter der Villa Salve Hospes gelegenen Garten zum Teil der Präsentation. Durch den Verweis auf die Sicht nach draußen deutete sich eine zusätzliche Ebene an, die den Kunstwerken Prietos einen Ortsbezug verlieh. So konnte die Arbeit Nude (2008), bei der sich die Überbleibsel einer Entkleidungsszene als kinematografischer Ablauf auf dem Fußboden wiederfinden ließen, als eine Szene betrachtet werden, die man mit jener, im Titel erwähnten „Helene“ in Verbindung bringt: Für seine Adoptivtochter Helene Hollandt ließ der Braunschweiger Kaufmann D. W. Krause zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Villa Sal-ve Hospes durch den Architekten Peter Joseph Krahe bauen. In der Folge bewohnte sie gemeinsam mit ihrer Familie das Haus mit Blick auf den großzügigen sogenannten „Hollandtsgarten“. Vor dem Hin-tergrund des Ausstellungstitels schienen sich Prietos Arbeiten an die einstigen Wohnräume und die mit ihnen assoziierten Geschichten anzuschmiegen.
Wilfredo Prieto (geb. 1978 in Zaza del Medio, Provinz Santi Spiritu, Kuba) lebt in Havanna, wo er an der Akademie bildende Kunst studierte. 2006 erhielt er das John Simon Guggenheim-Stipendium für New York und war bereits an zahlreichen internationalen Ausstellungen beteiligt, wie zum Beispiel der alle drei Jahre stattfindenden Havanna Biennale (2000, 2003, 2006, 2009, 2012), der Singapur Biennale (2006) und der Biennale in Venedig (2007). Die Kunsthalle Lissabon widmete ihm eine Einzelausstellung (2011) und das S.M.A.K. in Gent präsentierte seine Arbeiten in einer retrospektiv angelegten Schau im Sommer 2014. The View of the Garden of Helene Hollandt im Kunstverein Braunschweig war Wilfredo Prietos erste Einzelausstellung in Deutschland.
Der Katalog Wilfredo Prieto – works 1995–2012 enthält neben einem umfangreichen Bildteil und Essays ein Gespräch zwischen dem Künstler und Thibaut Verhoeven. Der englisch- und spanischsprachige Katalog entstand als Kooperation zwischen dem S.M.A.K., Gent, dem Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna, und dem Kunstverein Braunschweig.
Kuratiert von: Jule Hillgärtner
Die Ausstellung wurde unterstützt von: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur,
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