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Jan Timme
One for sorrow two for joy
Jan Timme, 1971 in Stuttgart geboren, studierte von 1995 bis 2001 an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. In seinen Installationen, Fotografien und Objekten arrangiert Timme mit wenigen Mitteln eine offene Textur aus Bezügen und knüpft an Marcel Duchamps Ready-mades, Bas Jan Aders poetische Inszenierungen, aber auch an Filme von Alfred Hitchcock, Marcel Carné oder Chris Marker an. Auffällig ist dabei, dass sich in seinen Arbeiten der Umgang mit dem kinematografischen Apparat ganz ohne den unmittelbaren Einsatz
des Mediums Films vollzieht. Dafür nutzt Timme verstärkt das Potential von Verweisen auf unser kollektives kulturelles Gedächtnis. Etwa, wenn er in der Ausstellung Zusammenhänge herstellen eine Uhr mit anamorphotisch verzerrtem Zifferblatt in die Glasfassade des Treppenhauses des Hamburger Kunstvereins installiert und mit einem Standbild aus Hitchcocks Vertigo kombiniert, oder für eine Wandarbeit mit dem Schriftzug NOTHING IS WRITTEN ein Zitat aus David Leans Film Lawrence of Arabia einsetzt. In ihrer Bildsprache
an der Konzeptkunst der 60er und 70er Jahre orientiert, schaffen Timmes Setzungen auf erzählerische Weise neue, mehrdeutige Bilder, die oftmals mit einer für ihn charakteristischen, reflektierten Melancholie versehen sind.
In seiner Ausstellung One for sorrow two for joy inszeniert Jan Timme einen Resonanzraum, der dem Ausstellungsbesucher eine Vielzahl narrativer Assoziationen öffnet. Zwei Fotos, auf welchen jeweils eine im Park aufgenommene Elster zu sehen ist, hängen sich, durch den länglichen, schmalen Raum der Studiogalerie getrennt, gegenüber. Der Versuch, die beiden Fotos vergleichen zu wollen, ist nur durch ein Hin- und Herbewegen im Raum möglich. Der Beginn des englischen Kinderreims "One for sorrow two for joy..." (Eine für Kummer, zwei für Freude...), der der Elster Unglück zuschreibt, begegnet man einer einzelnen, der aber ein gutes Vorzeichen verheißt, begegnet man ihr im Paar, erfüllt sich genau durch diese Bewegung, die der Besucher unternehmen muß, will er die beiden Fotos genauer betrachten. Gleichzeitig jedoch bleibt die zeitliche wie auch räumliche Trennung der beiden Elstern bestehen und ihr zeitgleiches Nebeneinander ist nur im imaginierten Raum möglich. Ähnlich wie schon in früheren Installationen Timmes verschränken sich die Phänomene Raum und Zeit zu einem neuen, komplexen und inhaltlich aufgeladenen Bedeutungszusammenhang. Im Hintergrund der Fotos ist die im Bürgerpark Braunschweigs gelegene Portikusruine zu erkennen. Ehemals Teil der von Peter Joseph Krahe erbauten Hauptwache, die sich bis 1895 noch am Augusttor in unmittelbarer Nähe des ebenfalls von Krahe entworfenen Hauses Salve Hospes befand, in dessen Remise heute die Studiogalerie beheimatet ist. Der Park, ursprünglich als Oase des kontemplativen Verweilens angelegt, fungiert hier als Metapher für die künstlerische Trägheit und den Müßiggang. Widersprüchlich erscheint die Tatsache, die erst beim genauen Vergleichen der beiden Fotos in der Studiogalerie deutlich wird, daß Timme die beiden Aufnahmen der Elstern aus ein und demselben Negativ heraus vergrößert hat, um sie anschließend getrennt voneinander zu zeigen.
In Kooperation mit dem Kunstverein in Hamburg ist ein von Yilmaz Dziewior und Karola Grässlin im DuMont Literatur und Kunst Verlag herausgegebenes Katalogbuch erschienen.
Unser Dank gilt dem Hofbrauhaus Wolters, der Stadt Braunschweig und dem Land Niedersachsen.
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vergriffen