Sie musste die Idee eines Hauses als Metapher verwerfen
€ 19.80
Der Kunstverein Braunschweig zeigt die erste deutsche institutionelle Einzelausstellung der polnischen Künstlerin Paulina Olowska. Sie ist 1976 in Danzig geboren, wo sie von 1997 bis 2000 Malerei und Grafik studierte. Seit Anfang 2004 lebt die Künstlerin in Warschau. Paulina Olowskas Kunst verankert sich in der Geschichte der Moderne sowie der Bauhaus-Tradition und drückt die Faszination der Künstlerin für moderne Utopien aus. Ihre künstlerische Praxis hat seit Anfang ihrer Laufbahn viele Facetten: Sie arbeitet gleichzeitig in verschiedenen Medien, präsentiert Einzelausstellungen, kollaboriert mit anderen KünstlerInnen, produziert Videos, performt und veranstaltet Feste.
Paulina Olowskas Ausstellung im Kunstverein Braunschweig gleicht einem imaginären "setting" für mögliche oder bereits stattgefundene Aktionen. Requisiten wie Möbelstücke unterschiedlicher Stilepochen, Vorhänge, die partiell eine dunkle, unheimlich und zugleich geborgen anmutende Atmosphäre schaffen, und Wandgemälde, die wie Bühnenbilder fungieren, verwandeln das Haus Salve Hospes in eine raumgreifende Installation.
Buchstäblich einzurichten scheint Paulina Olowska die Räume des Kunstvereins und schafft hierdurch einen Bezug zur Geschichte der Ausstellung, indem sie sich der unterschiedlichen Funktionen und Techniken von Präsentation bedient und diese zugleich hinterfragt. Es scheint bereits künstlerisches Prinzip, daß Paulina Olowska innerhalb dieser neuen Inszenierung auf frühere eigene Arbeiten wie Gemälde, Zeichnungen, Objekte und Architekturmodelle zurückgreift und diese in einen neuen Kontext setzt. So wurden im letzten Jahr bei der Biennale in Venedig die Bilder aus ihrer vorangegangenen Londoner Galerieausstellung Teil einer neuen großen Wandarbeit.
Das Haus Salve Hospes, ursprünglich Wohnhaus eines Braunschweiger Geschäftsmannes, und seit 1945 Sitz und Ausstellungsräumlichkeit des Kunstvereins Braunschweig, erfährt eine Rückverwandlung. "Was ist ein Haus?", stellte sich 1944 die Zeitschrift Arts&Architecture die Frage und resümierte die architektonischen Entwicklungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in welchen die Rolle des privaten Wohnhauses als wichtigstes Medium zur Erprobung neuer architektonischer Ideen fungierte. Das Haus wurde zum Ideenlaboratorium, das nicht länger die geschönte Infrastruktur in den Vordergrund stellte, sondern wo Orte geschaffen wurden, die Architektur blieben. Paulina Olowska knüpft an diese Entwicklungen an, indem sie den Räumen des Hauses Salve Hospes scheinbar neue Funktionen zuweist und diese aber zu-gleich unklar und offen läßt. Es werden Bezüge geschaffen zu Frederik Kieslers theaterartigen Ausstellungseinrichtungen oder zu den in die Kunstgeschichte eingegangenen Surrealisten-ausstellungen, bei welchen die Präsentationsform der Kunstwerke eine radikale Wandlung erfuhr.
Die zu einem Hörspiel vertonte Kurzgeschichte Schreibtischliche Fräuleins der Glasgower Künst-lerin Lucy McKenzie, mit der Paulina Olowska in der Vergangenheit zahlreiche gemeinsame Projekte realisierte, leitet den Besucher durch die Ausstellung. Mit Hilfe von Audioguides hört er die tragisch-komische Geschichte einer Freundschaft zweier Frauen, die sich in surreal an-mutenden Räumen treffen, um über ihr Leben und ihre Arbeit zu reflektieren. Auch innerhalb des Hörspiels stellt sich als zentrales Thema die Diskussion um Appropriation und Autoren-schaft, die bereits in der Form der Ausstellungskonzeption anklingt. Der Besucher wird so-gleich Zuschauer und -hörer sowie Protagonist in Olowskas Inszenierung. Die oftmals in die Irre leitende, ironische Diskrepanz zwischen der Geschichte und den dazugehörigen "settings" setzt diese beiden Ebenen in ein suggestives Verhältnis zueinander, das eine Vielzahl von Narrationssträngen zuläßt. Bewusst bricht Olowska mit der Idealvorstellung einer Präsentation von Bildern, indem sie mitten im Sommer eine Ausstellung in verdunkelten Räumen realisiert, die das Betrachten des einzelnen Kunstwerks erschwert und somit die Ausstellung als Gesamtkunstwerk in den Vordergrund stellt.
Es ist ein Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen, der die Ausstellung dokumentiert.
Unser Dank gilt den Hauptförderern Niedersächsische Sparkassenstiftung und NORD/LB – Braunschweigische Landessparkasse.
Ebenfalls danken wir der Stadt Braunschweig, dem Land Niedersachsen und dem Hofbrauhaus Wolters.